Kolumne: Darf ich mich dem Beautytrend widersetzen?

Kolumne: Darf ich mich dem Beautytrend widersetzen?

2016-02-01 33 Von nicoleinez

Seit ich regelmäßig YouTube schaue und mich durch diverses und (aus menschlicher Sicht) perverses klicke, weiß ich, dass man sich länger als zehn Minuten schminken kann. Täglich. Für den Alltag also. Als alltäglicher Mensch. Also bin ich scheinbar eine unterdurchschnittliche Durchschnittsfrau. Oder so. Auf jeden Fall gibt es sogenannte „Tutorials“, die wirklich eine halbe Stunde oder noch länger dauern können. Dort lernt man, sich zu schminken. Jeweils abhängig von Tag, Saison, Tätigkeit… Und  jedem Beautytrend zu folgen.

Es kann gut sein, dass so eine Schmink-Anleitung als Video auch noch länger dauert und ich einfach nach einer halben Stunde komplett aufgegeben und geistig Piano gespielt habe. Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall war ich total schockiert, wie dumm und ungebildet ich scheinbar bin, wenn es um schminken geht. Denn wie kann es sein, dass man sich täglich! ein Leben lang! über eine halbe Stunde! schminken kann/will/muss/soll?

Die Dame, die damit scheinbar Geld macht, sich alles in das Gesicht zu schmieren/pinseln/kleben/klatschen (ich bin so sorry, dass mir hier die Fachworte und auch Worte fehlen), hat erklärt, wie man sein Gesicht z.B. frischer/schmäler/glatter aussehen lassen kann und es dennoch nicht geschminkt aussieht. „Aja. Und warum schminkst du dich dann überhaupt?“, war mein Gedanke. Darf man das überhaupt denken als Frau? Und warum kann jemand mit solchen Tipps sein Leben finanzieren?

Tipps für den Beautytrend

Da ich prinzipiell ein Mensch bin, der vieles aufsaugt wie ein Schwamm, habe ich gelernt, dass…:
a) …ich scheinbar viel, viel, viel…. zu wenig Schminkzeug habe.
b) …man Schminkzeug nicht individuell verwenden darf/soll/kann, da es ja Anleitungen im Internet gibt.
c) …es viel mehr Schminke gibt, als ich Gesicht habe.
d) …es sehr viele Frauen gibt, denen das sehr wichtig ist.
e) …es Frauen gibt, die andere abwerten, wenn sie „ungepflegt“ im Sinne der Nicht-Überbemalung sind.
f) …mich das irgendwie irritiert, aber es mir dennoch egal ist.
g) …man sich für einen „natürlichen“ Look, der ungeschminkt wirken soll, man sich dennoch mindestens 10 Sachen ins Gesicht kleistern muss.
h) …es passendes Gewand zur passenden Alltagsbemalung gibt.
i) …es je nach Anlass eine anderes Make Up gibt.
j) …ich zum Glück keine solche Frau in meinem Umfeld habe, deren Äußerlichkeiten über alles gehen und der Rest egal ist.

Ich muss zugeben, dass ich mich an manchen Tagen sehr gerne schminke. Wahrscheinlich total falsch und schlecht, aber gerne. Dann gebe ich drei bis vier Dinge in mein Gesicht: Make Up, Rouge und Mascara. Wenn ich nicht zu bequem bin, dann noch einen Eyeliner. Manchmal mischt sich Ketchup dazu, da ich oft sehr gierig und unästhetisch esse. Wenn ich frühstücke und ich die nächste halbe Stunde keinen netten Menschen treffe, der mich darauf aufmerksam macht, vielleicht ein Semmelbrösel.

Was mein „Outfit of the day“ betrifft, kann ich ebenfalls nicht wirklich wertvoll zur Verbesserung der Welt und zu einem friedlicheren Miteinander ohne Konkurrenz-Denken beitragen: Ich ziehe an, was mir gerade ins Auge sticht. Manchmal auch das, was ich mir innerhalb von 3-5 Minuten bewusst aussuche. Und an guten Tagen jenes Outfit, welches ich mir am Tag zuvor zusammenrichte, damit ich morgens (als Seit-jeher-Morgenmuffel) zumindest noch Zeit für ein Müsli habe. Wenn es einen wirklich unausweichlichen Grund gibt, quäle ich mich in Anlass gemäße Kluft. Abseits vom Beautytrend.

Wenn ich Gewand einkaufen gehe, dann meist deshalb, weil mir irgendetwas fehlt. Oder weil ich mich belohnen will und ich keine bessere Idee habe, was mir gerade noch mehr fehlt als ein bestimmtes Kleidungsstück. Dann weiß ich aber fast immer, in welcher Abteilung ich es finde und wie es in etwa aussehen sollte. Ich schleiche mich an all den Trends vorbei, oder ich merke nicht, dass es Trend ist. Außerdem brauche ich mich nur in der Stadt umzusehen, was gerade alle im Gesicht, am Kopf oder am Körper haben. Daraus lässt sich leicht schließen, was gerade „voll im Trend ist“ und was nicht: Nämlich ich.

Seit ich denken kann, zieht es mich in die sportlich-legere Abteilung. Da bin ich dann zwar auch manchmal etwas Marken fixiert, aber ich kann es mir verzeihen, da ich mich nicht selbst dazu zwinge, mich in etwas zu hungern, was mir sowieso nicht gefällt. Oder mich in etwas zu pressen, was nicht zu meinem Typ passt, nur um modern zu sein.
Diesen Eindruck erwecken nämlich viele Frauen, die mir im Alltag über den Weg laufen. Egal wie ich darin aussehe und wie sehr ich damit die Augen meiner Umgebung überstrapaziere: „I’m sexy an I know it.“ (Das sind nicht meine Gedanken, sondern diese unterstelle ich besagten Modevetreterinnen).

Was mich einfach ärgert, dass man nahezu überschwemmt wird, mit solchen „Must haves“, „To do’s“ und „No go’s“. Und dass einfach nicht hinterfragt wird, woher die Produkte stammen, wer dafür leiden musste, ob es die Welt schlechter macht, wen man damit unterstützt. Ich lebe zwar als Teilzeit-Moralapostel, da ich einen durchaus bewussten Alltag lebe, behalte es aber wenigstens für mich.

Warum also werde ich bombardiert mit all diesem „sei ideal“ (im Sinne der Gesellschaft), „folge dem Trend“ (im Sinne der Wirtschaft), „schminke dich“ (im Sinne der Schönheit), „hunger dich zur Magersucht“ (im Sinne der Mode) und friss dich ein paar Jahrzehnte auf BMI >30 (im Sinne der neuen Mode). Weitere Folgen eines Hinterherlaufen von „Ideal“, habe ich hier beleuchtet: Warum ist ideal nicht egal?

Was ich dennoch witzig finde, ist die Tatsache, dass ich seit meiner Jugend regelmäßig auf folgende Dinge angesprochen werde: Sind deine Zähne gebleicht? Sind deine Brüste echt? Und: Sind deine Haare echt? „Leider“ ja.

Vielleicht ist unsere Welt schon so normal gekünstelt, dass Natürlichkeit am Unechtesten wirkt.

In diesem Sinne,
Echte Grüße
Eure Nicole

©Nicole Inez


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