Ist es gesund, die Melancholie zu lieben?

Ist es gesund, die Melancholie zu lieben?

2015-09-12 29 Von nicoleinez

„Das gerade Gegenteil der Manie ist die Melancholie. Während der Manische heiter, beweglich, ablenkbar und optimistisch ist, ist der Melancholiker traurig, bewegungsarm, unablenkbar und bis zur tiefsten Verzweiflung Pessimist. Auch bei der Melancholie ist die Grundlosigkeit der Depression das entscheidende Symptom; sie ist entweder überhaupt nicht durch äußere Anlässe ausgelöst oder steht in krassem Mißverhältnis zur Geringfügigkeit der Ereignisse, die als auslösender Anlaß erlebt werden“ (Rohracher, 1965).

Das ist eine der zahlreichen Definitionen von Melancholie, der ich so nicht ganz zustimmen kann. Sie klingt aussichtslos, als wäre die Melancholie ein „für immer“, ohne „wenn und aber“. Ich habe keine einzige gefunden, die diesen Zustand als etwas Bereicherndes, Kraftvolles und Beruhigendes und durchaus Schönes bezeichnet hätte. Woran kann das liegen?

In unserer Gesellschaft scheint es nur noch darauf anzukommen, immer nett, positiv, aktiv und schnell zu sein. Müsste man einen psychologischen Ausdruck finden, würde „Manie“ am ehesten zutreffen. Alles muss schneller, besser und größer sein. Und wenn es das noch nicht ist, dann muss es das werden.

Allein sein (wollen) ist komisch, außer man kann daraus Profit schlagen. Zum Beispiel wenn man zu lange nicht melancholisch oder zumindest gedämpfter, besinnter und gechillt war, sondern permanent-manisch war und dann mit Burnout auf eine einsame Insel zu einem Abzockepreis zu einem Abzocke-Guru fährt. Damit man dort all die Melancholie nachholen kann.

Ich bin gerne Mal in der Stimmung der Melancholie und lasse mich in sie fallen. Gerne alleine, auch länger. Und es geht mir dabei aber gut. Sehr gut sogar. Viele verwechseln den Wunsch nach allein sein, nach ein wenig „schwerer Stimmung“ oder auch daraus resultierenden Gedichten und Gedanken mit „Depression“ oder „Eigenartigkeit“ im negativen Sinne.

Doch hat nicht jeder Mal das Bedürfnis, sich der Schwere, dem Nachgrübeln, einer gewissen Wehmut, der Nostalgie, den eigenen kreisenden Gedanken hinzugeben? Als Ausgleich zum Ganztags-Happy der Gesellschaft. Oder den grauenhaften Allgemeinstimmungen (vor allem verstärkt durch die Medien). Muss es wirklich notwendig sein, dass andere bestimmen, dass wir aufgrund von Bildern sentimental, traurig oder glücklich werden? Kann ich nicht selbst entscheiden, dass mir hier und jetzt nach dies und das zumute ist? Meine Antwort ist ein klares ja!

Warum liebe ich die Melancholie?

  • In ihr entstanden meine (für mich persönlich) schönsten Gedichte.
  • Das Schwelgen in ihr ist so unbezahlbar wie Hochstimmung. Ich brauche es von Zeit zu Zeit, wie jede andere Stimmung auch.
  • Wenn ich einen halben Tag lang extrem aufgedreht war, sehne ich mich nach ihr, um runter zu kommen.
  • In ihr habe ich die schönsten Lieder entdeckt.
  • Dann merke ich, dass ich mich mag und ich gerne allein bin.
  • In ihr schöpfe ich Kraft, da sie mich wieder runterholt und ausgleicht.
  • Darin habe ich die schönsten Gedichte gefunden.
  • Mit ihr habe ich einsame, aber unvergessliche Momente verbracht.
  • Mit ihr kann ich sehr schön in andere Zeiten reisen. In bessere, schlechtere, traurigere, bewegende.
  • Sie verbindet mich mit Menschen, die nicht mehr in meinem Leben sind, mit denen ich aber richtig gute Zeiten hatte.
  • Sie macht mir wieder klar, dass man selbst Tiefe und Schwere leben kann, unabhängig vom Allgemeinwahnsinn.
  • Mit ihr werden Bilder der Vergangenheit bedeutungsvoller, spürbarer.
  • Mit ihr sehe ich die Welt für eine Zeit lang aus einer anderen Perspektive.

Ich glaube, dass viele Leute Angst davor haben, Melancholie, Schwere und Tiefe zuzulassen. Vielleicht würden sie nicht mehr raus finden. Vielleicht wüssten sie nichts damit anzufangen. Oder möglicherweise gibt es auch Personen, die diese nicht in sich haben. Natürlich ist es nicht gut, wenn man permanent nur in dieser Stimmung schwelgt. 1. Wäre das dann auch schon eine Depression oder ähnliches und 2. ist es in keiner der vielen Stimmungen gesund, für immer zu verharren.

Egal was andere davon halten, oder von mir, wenn ich mich gerne und regelmäßig der Melancholie hingebe: Für mich ist sie ein wichtiger Bestandteil (m)eines Lebens.

Da die Melancholie oft mit einer Depression verwechselt wird, gibt es hier einen extra Text zum Thema Depression.

Herbstliche Grüße,
Eure Nicole

©Nicole Inez


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